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Aus der Presse …

Landbote: Sechs Finger auf einer Kachel

 

Deshalb ist er auch für Mathys ein ganz besonderes Stück: „So einen ursprünglichen Ofen, der noch funktioniert, habe ich kaum je gesehen und schon gar nicht restauriert.“ Mathys sagt dies, obwohl er bereit durch die halbe Schweiz gereist ist, um alte Kachelöfen zu sanieren. In Müstair im Kanton Graubünden hat er zum Beispiel einen historischen Ofen im Frauenkloster gereinigt und wieder aufgebaut. Die ganze Klosteranlage gehört zum Weltkulturerbe der Unesco.

Auch die Kacheln des Oberwinterthurer Ofens hat er einzeln entfernt und in Wasser eingelegt, „damit sich der alte Lehm löst“. Dabei hat er jedes Stück des Ofens ganz genau angeschaut und einen speziellen Handabdruck entdeckt: Auf einem sind deutlich sechs Fingerabdrücke zu sehen. Ob sie von einer Hand stammen, oder ob jemand zweimal über den Lehm gestrichen ist, bleibt ein Geheimnis – genauso wie die Herkunft der Kacheln.

Mathys vermutet zwar, dass sie in der berühmten Werkstatt der Familie Pfau hergestellt worden sind, sicher ist er aber nicht. Nur bei einer Kachelart weiss er, dass sie aus diesem Betrieb stammen muss. Deren Muster ist genau dokumentiert, sodass er sie zuordnen kann (siehe Kasten).

Der Ofen wäre geborsten

Mathys rechnet damit, dass er insgesamt gut 280 Stunden restaurieren wird, was rund sieben Wochen entspricht. Eine teure Angelegenheit für den Bauherrn: Material und Arbeit kosten mehrere Zehntausend Franken. In diesem Fall trägt die Denkmalpflege einiges bei, schliesslich sind Haus und Kachelofen geschützt.

Dass der Ofen nun saniert wird, war unumgänglich: In seinem Innern war ein wichtiges Verbindungsteil eingeknickt und hat einige Kacheln nach aussen gedrückt. „Irgendwann wären die Wände einfach auseinandergebrochen“, sagt Fredi Mathys. Dabei wären die meisten Kacheln zerborsten. Nach dem Restaurieren kann der Ofen das Haus wieder wärmen – bestimmt für die nächsten hundert Jahre.

Ärger mit den Zünftern

Winterthur war vor 300 Jahren eine Hochburg des Kachelofenbaus, vor allem wegen der Brennerei „Pfau“ die unter anderem an der Marktgasse 60 eine Werkstatt betrieb. Neben den Kacheln haben die Handwerker dort auch Geschirr hergestellt, das ein Exportschlager war. Berühmt waren die Winterthurer Öfen, weil hier mit Farben wie Weiss und Gold gearbeitet wurde, die andere nicht besassen. Als die Zürcher ihr Rathaus bauten, schenkten ihnen die Winterthurer zwei Kachelöfen, was ihnen den Ärger der Zünfter einbrachte: Diese hätten die Öfen gerne selbst geliefert. Heute stehen die beiden im Landesmuseum in Zürich – und sind auch vom Seuzemer Fredi Mathys restauriert worden. (meg)